In unserer heutigen Zeitreise möchten wir mit dem Steyr XII Tourenwagen von 1926 ein ganz besonderes Vorkriegsauto vorstellen.
Es war das Jahr 1926. Europa war noch im Aufbruch nach dem Schrecken des Ersten Weltkriegs. Die Städte pulsierten im Takt des Fortschritts, Jazzklänge ertönten aus Cafés, und das Automobil war längst nicht mehr bloß ein technisches Wunderwerk – es wurde zum Symbol eines neuen, modernen Lebensgefühls.
In dieser dynamischen Zeit betrat der Steyr XII Tourenwagen die Bühne – ein österreichisches Meisterwerk der Ingenieurskunst, das Stil und Technik auf eindrucksvolle Weise vereinte.
Die Firma Steyr-Werke AG, hervorgegangen aus dem traditionsreichen Waffenhersteller Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft, hatte bereits in den frühen 1920er-Jahren mit hochwertigen Automobilen auf sich aufmerksam gemacht. Mit dem Steyr XII – entwickelt unter der Leitung von Karl Jenschke – präsentierte man 1926 ein Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse, das neue Maßstäbe setzen sollte.
Auf den ersten Blick wirkte der Steyr XII elegant, fast aristokratisch: Die sanft geschwungene Linienführung, die langen Kotflügel und die klassische Tourenwagen-Silhouette mit abgesetztem Kofferaufbau und vier Türen machten ihn zu einem echten Blickfang auf den Boulevards von Wien, Berlin oder Zürich.
Doch nicht nur das Design, auch die Technik war auf der Höhe der Zeit – ja, in manchen Bereichen ihr sogar voraus.
Technik mit Weitblick im Steyr XII Tourenwagen
Unter der Haube arbeitete ein 1,6-Liter-Reihensechszylinder-Motor mit einer Leistung von etwa 30 PS (22 kW). Das war für die damalige Zeit durchaus beachtlich, denn es erlaubte dem rund 1200 Kilogramm schweren Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 90 km/h – eine Geschwindigkeit, die damals für eine Fahrt über Landstraßen als regelrecht rasant galt.
Der Motor war wassergekühlt, was für gleichmäßige Leistung und Zuverlässigkeit sorgte. Das Getriebe verfügte über vier Gänge, wobei der erste Gang unsynchronisiert war – typisch für die Epoche.
Luxus im Detail
Der Innenraum war geräumig und komfortabel. Edle Holzverkleidungen, Ledersitze und ein stilvoll gestaltetes Armaturenbrett vermittelten den Passagieren ein Gefühl von Exklusivität. Besonders als Tourenwagen mit offenem Verdeck konnte der Steyr XII in den warmen Monaten seine ganze Klasse zeigen. Das leicht zu öffnende Faltverdeck und die Steckscheiben ermöglichten die Verwandlung vom wettergeschützten Auto zum offenen Freizeitfahrzeug in wenigen Minuten.
Sogar technische Raffinessen wie eine elektrische Beleuchtung, Hupe und ein Benzinpumpensystem mit Unterdruckspeisung zählten zur Serienausstattung – für damalige Verhältnisse fortschrittlich.
Der Steyr XII war kein Massenprodukt. Zwischen 1926 und 1929 wurden lediglich rund 11.000 Exemplare gebaut – viele davon in verschiedenen Karosserievarianten, vom Tourenwagen über Limousinen bis hin zu Cabriolets. Die meisten Kunden stammten aus dem wohlhabenden Bürgertum, von Ärzten und Fabrikanten bis zu hohen Beamten. Ein Steyr XII war ein Statement – nicht protzig, sondern souverän.
Der Steyr XII entstand in einer Ära voller Gegensätze: Fortschritt und Tradition, Wirtschaftswachstum und politische Spannungen, Lebenslust und Unsicherheit. Das Automobil wurde zur Brücke zwischen diesen Welten – ein Werkzeug der Mobilität, aber auch ein Ausdruck von Unabhängigkeit.
Heute ein gesuchter Klassiker
Heutzutage zählt der Steyr XII zu den Raritäten des Vorkriegsautomobilbaus. Nur wenige erhaltene Exemplare befinden sich in privatem Besitz oder in den Hallen technischer Museen. Restaurierungen sind aufwendig, aber lohnend – denn dieser Wagen verkörpert eine Ära, in der Automobilbau noch Handwerkskunst war.
Wer heute das Glück hat, einen Steyr XII auf einer historischen Ausfahrt oder bei einer Oldtimer-Rallye zu sehen, der blickt nicht nur auf ein technisches Artefakt – sondern auf ein Symbol der Eleganz, des Fortschritts und der Wiener Ingenieurskunst der Zwischenkriegszeit.
Unser Fotoauto ist eines der wenigen erhaltenen Exemplare, die sich in privatem Besitz finden. Es kann beim Jüly Oldie Point (www.oldie-point.at) besichtigt werden und steht zum Verkauf.