Hanami, ein Kirschblütenfest für Autoliebhaber, fand diesen Sommer statt. „Hanami“ bedeutet in etwa „Kirschblüten betrachten“. Oder in unserem Fall, 3 Nissan Cherry betrachten.
Wie man weiß, ist „Cherry“ das englische Wort für Kirsche. Und diese 3 Nissan Cherrys haben die Jahrzehnte überlebt und stehen noch immer in ihrer vollen Blüte.

Nissan oder Datsun?
Einige verbinden mit dem Cherry auch den Namen „Datsun“. Folgend eine kurze Einordnung:

Nissan, gegründet 1933, ist ein Großkonzern, der in vielen Sparten tätig ist. Unter anderem auch im 2. Weltkrieg in der Rüstungsindustrie. Daher hatte der Name „Nissan“ einen etwas schalen Beigeschmack, und so lancierte Nissan seine Fahrzeuge auf den Märkten außerhalb Japans als „Datsun“. Dadurch, dass der Automobilhersteller „Datsun“ schon immer ein Teil vom Nissan-Konzern war, war diese geschickte Vermarktungsstrategie ohne gröberen Aufwand möglich.
Auf jedem Datsun, der verkauft wurde, war aber trotzdem auch immer die Bezeichnung „by Nissan“ zu finden.

Um 1983, dem 50-jährigen Firmenjubiläum von Nissan, rückte der Name „Nissan“ wieder in den Vordergrund, und so wurde eben aus dem Datsun Cherry der Nissan Cherry.
Alle 3 Fotoautos sind aus dem Baujahr 1983, und in dieser Übergangszeit sind beide Namen, Nissan und Datsun, prominent auf jedem Fahrzeug zu finden.
Der Nissan Cherry
Der Cherry war neben dem Sunny die 2. Modellreihe, mit der Nissan die Kompaktwagenklasse bediente und so Alternativen zum Opel Kadett und später zum VW Golf in seinem Köcher hatte.

1972 begann der Verkauf des Cherry. Er war ein günstiges und extrem zuverlässiges Fahrzeug, das immer mehr Kunden überzeugte. Als Besonderheit sei zu erwähnen, dass schon damals der Cherry mit Frontantrieb ausgerüstet war und er somit als erster kompakter Japaner mit dieser fortschrittlichen Antriebstechnik brillierte.
Der Cherry N12, mit Volldampf in die 80er
10 Jahre später, 1982, stieg die 4. Generation des Cherry in den Verkaufsring. Diese Generation des Cherry teilte sich eine komplett neue technische Plattform mit ihrem Schwesternmodell, dem Sunny der 5. Generation, der zeitgleich in die Verkaufsräume rollte.
Der Cherry und der Sunny waren auf dem neuesten Stand der Technik. Moderner, ausgereifter Frontantrieb – die Nissantechniker hatten ja durch die Vorgänger-Cherrys einen reichen Erfahrungsschatz, überzeugte Autotester und Käufer.

Völlig neu konstruierte quereingebaute Leichtmetallmotoren mit Querstromzylinderkopf und obenliegender Nockenwelle sorgen für zügigen und zugleich effizienten Antrieb. Ein aufwändiges Fahrwerk mit Einzelradaufhängung an beiden Achsen ermöglicht ein komfortables und zugleich sicheres Fahrverhalten.
Damals hatten die Entwicklungsingenieure 4 Jahre Zeit, eine neue Modellreihe zu entwickeln. So kamen der Cherry und der Sunny, obwohl mit komplett neuer Technikarchitektur versehen, ohne Kinderkrankheiten bei den Kunden an.
Für alle Bedürfnisse
Der Cherry ist mit Benzin-Motoren der E-Serie motorisiert. Herzstück der E-Serie ist die 1,5 Liter -Version mit 70 PS und 5-Ganggetriebe. So ausgerüstet zählte der Cherry zu den Flottesten und zugleich Sparsamsten unter seinen Konkurrenten. Es gab den Cherry auch als 1,0 Liter mit 50 PS und 1,3 Liter mit 60 PS, verquickt jeweils mit einem Vierganggetriebe. In diesen Ausführungen war der Cherry bei der Anschaffung und in der Versicherung zwar geringfügig billiger, aber im Alltag nicht so souverän und verbrauchte mehr Benzin als die 70 PS-Variante.

Wahrscheinlich deswegen wurde der Cherry am häufigsten gleich in der optimalen 1,5 Liter-Version mit der reichhaltigen GL-Ausstattung von den Kunden bestellt.
„GL“ stand für „Großer Luxus“. Zudem gab es 5-Ganggetriebe, Drehzahlmesser, Halogenscheinwerfer, stufenlos verstellbarer Intervallscheibenwischer, geteilt umlegbare Rücksitzlehnen, Fernentriegelung für Heckklappe und Tankdeckel, wohnliche Velourstapezierung, Warnsummer für nicht abgeschaltetes Licht bei abgestelltem Motor und geöffneter Fahrertür und viele weitere Gimmicks die, vor über 40 Jahren nicht mal in der teureren Mittelklasse üblich waren.

Charmantes Ausstattungsdetail bei den 3-türigen Modellen ist die Seilzugfernbedienung der beiden hinteren seitlichen Fensterscheiben, um sie von der Mittelkonsole aus bequem aufklappen zu können. Bei den 5-türigen GL-Cherrys kann man von der Mittelkonsole aus, mit dem selben Prinzip, die hinteren Türen ver- und entriegeln. Unkaputtbare Air-Condition oder Zentralverriegelung!
Neben den Benzinmodellen stand der Cherry erstmals auch als Diesel in den Preislisten.
1,7 Liter, 55 PS. Der Dieselmotor war auf dem modernsten Stand der Technik, mit beispielsweise obenliegender Nockenwelle für den Ventiltrieb, Zylinderkopf aus Aluguß für verbesserte Wärmeableitung und Gewichtsreduktion, Schnellvorglüh- und Nachglüheinrichtung für schnelles und rauchfreies Starten. Der 1,7 Liter Diesel war mit 135 Kilogramm leichter als die Dieselmotoren seiner Mitbewerber, und er war damals das billigste Diesel-Auto in Österreich!

Trotzdem konnte er sich nicht so recht durchsetzen, da der 1,5 Liter Benziner stärker, leiser und günstiger war und auch im Verbrauch dem Diesel nicht wirklich nachstand. Wie schon erwähnt, der mit Abstand am meisten verkaufte Cherry, war der 1,5 GL.
Der Allrounder
So ein Volumensmodell, ein Cherry 1,5 GL, ist unser rotes Fotomodell. Von 1983 bis 2012 in Familienbesitz, folgend bis 2020 beim Autor dieser Zeilen in der Garage, seitdem im Besitz von Martin Werschall, dem Betreiber der Firma „Nissanparts-Austria“. Muss Martin Werschall oft in sein Ersatzteillager für seinen roten Cherry greifen? Nein, ein absolut problemloser Oldtimer mit knapp über 80.000 Kilometern in rostfreiem Originalzustand und historischer Zulassung.

Goldstück
Den Cherry 1,5 GL konnte man nicht nur mit manuellem 5-Ganggetriebe haben, sondern auch mit 3-Gang-Automatik. So eine Kombination wurde nur sehr selten geordert, und wenn, dann eher von „Golden Agern“. Unser 2. Fotoauto, der goldene Cherry, ist so ein Automatik-Einhorn.

Von 1983 bis Anfang der 2000er-Jahre in Erstbesitz im südlichen Niederösterreich, in Felixdorf. Danach schlüpfte dieses Goldstück in eine Autosammlung, die der jetzige Besitzer, der Chef des Autohauses Ruiner, Harald Ruiner, vor einigen Jahren übernommen hat.
40.000 Kilometer, rostfreier Originalzustand. Wer so eine seltene Pretiose, die auch letztens einen Kurzauftritt in einer Fernsehserie hatte, haben möchte… Bitte sehr, der Golden-Cherry wäre zu kaufen!
Das Beste aus 2 Welten?
Wem der Sinn nach mehr Leistung war, der hatte beim Cherry noch 2 weitere Möglichkeiten.
Da gab es einmal den Nissan Cherry Europa GTI, in anderen Ländern auch als Alfa ARNA vermarktet. Nissan Cherry Europa GTI? Dieses Modell werden wirklich nur noch die wenigsten kennen. In den 80er-Jahren wurden japanische Fahrzeuge mit Strafzöllen und Importbeschränkungen versehen. Daher plante Nissan Produktionsstätten in Europa und Kooperationen mit europäischen Herstellern. So eine Kooperation erfolgte mit Alfa Romeo, und es entstand die Gesellschaft „ARNA“. Alfa Romeo Nissan Automobili.

Der Cherry Europa GTI bestand zu 80 % aus Alfa Romeo-Komponenten, wie dem Boxermotor und beinahe der gesamten Technikstruktur und zu 20% aus Nissanteilen wie einzelnen Bedienelementen und der Karosserie. Der Cherry Europa GTI mit 90 oder 95 PS war von 1984 bis 1986 in der Alpenrepublik im Programm, war nicht so recht Sushi oder Fleisch, und verkaufte sich somit nur in homöopathischen Dosen.
Turbo
Von ganz anderem Kaliber war das 2. Offert, das Nissan leistungshungrigen Automobilisten servierte. Der Cherry Turbo! Eine reine Nissan-Entwicklung und daher ausgereift und zuverlässig. Beim bewährten 1,5 Liter Benziner wurde die Verdichtung etwas gesenkt, der Vergaser wurde durch „ECCS“ also eine elektronische Steuerung ersetzt, und der Turbo steigerte so, mit den eben genannten Adaptierungen, die Leistung auf 114 PS.

Der Cherry Turbo war nach dem Mitsubishi Colt Turbo mit 105 PS der billigste kompakte GTI. Mit 144.900 Schilling war man dabei und konnte den Cherry Turbo sein Eigen nennen.

Der Opel Kadett GTE mit 115 PS um 167.040 Schilling, oder der VW Golf GTI mit 112 PS um 172.400 Schilling, waren erheblich teurer, aber nicht sportlicher. Der Cherry beschleunigt in 8,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und ist somit schneller als alle seine zeitgenössischen Konkurrenten!

Das hat den Erstbesitzer unseres 3. Fotoautos, dem schwarzen Cherry Turbo, 1983 dazu bewogen, sich so einen heißen Freudenspender zuzulegen. Und wer genau schaut, erkennt, dass der Cherry noch schwarze Nummernschilder hat und der Erstbesitzer noch immer der Besitzer ist!
42 Jahre in erster Hand, und ein Ende ist nicht absehbar. Ein Cherry Turbo in unverbasteltem Originalzustand, knapp über 100.000 Kilometer und noch immer in Erstbesitz. Das ist eine Kombination, die es europaweit wahrscheinlich kein zweites Mal gibt.

Schwarz, rot, gold. Unsere 3 japanischen Zeitkapseln sind zwar in den Farben der Flagge der deutschen Automobil-Nation lackiert, die 3 Cherrys stehen aber für japanische Wertarbeit, die durch ihre Hochwertigkeit in der Verwendung der Materialien und Ausführung auch im Oldtimer-Alter für problemlosen Fahrspaß sorgt.

Somit möchte ich diesen kleinen Überblick, der mit einem japanischen Begriff begonnen hat, auch mit einem japanischen Begriff beenden, der meiner Meinung nach gut zu den Cherrys passt. Banzai! Ein japanischer Jubelruf, der Freude und Glück für unzählige Jahre bedeutet. Keep on driving and enjoying!