Virtual Engineering Lab der Volkswagen Konzern-IT entwickelt das virtuelle Konzeptfahrzeug.
Volkswagen Werk Wolfsburg, Technische Entwicklung, Halle 70: Ein Golf rollt heran. Die Halle ist fensterlos, und doch gleitet der Golf durch eine sonnige Großstadtszene. Aber hier ist nichts real. Nicht einmal der Golf.
Erst in ein paar Jahren wird es ihm auf der Straße geben. Frank Ostermann und Mathias Möhring sitzen trotzdem darin. Ostermann gibt eine neue Route ein, Möhring regelt die Klimaanlage. Alles kein Problem. Der virtuelle Golf und seine Umwelt sind das Ergebnis zukunftsweisender Teamarbeit. Das Virtual Engineering Lab der Volkswagen Konzern-IT und die Technische Entwicklung der Marke Volkswagen hatten ein gemeinsames Ziel: Sie wollten die Entwicklung neuer Volkswagen Modelle revolutionieren. Das ist gelungen: Bereits der nächste Golf wird virtuell entwickelt.
Ostermann und Möhring tragen Virtual-Reality-(VR)-Brillen, die mit mehreren Rechnern verbunden sind. Möhring schlägt vor, nochmals die Luftausströmung der Klimaanlage zu prüfen: Wie verläuft die Strömung bei Volllast? Ein Tastendruck genügt, schon umfließen transparente Strömungslinien die beiden.
Frank Ostermann (52) leitet das Virtual Engineering Lab in Wolfsburg, eines der mittlerweile sechs Kompetenzzentren der Volkswagen Konzern-IT. Hier arbeiten IT-Experten, Wissenschaftler und Software-Spezialisten von Volkswagen gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Technologiepartnern an der digitalen Zukunft des Unternehmens.
„Im Virtual Engineering Lab machen wir Virtual Reality zum Arbeitsinstrument für die Kollegen aus der Technischen Entwicklung“, sagt Ostermann. Ein Ergebnis ist das virtuelle Konzeptfahrzeug (vKF). Das Programm überträgt sämtliche Konstruktions- und Simulationsdaten eines Volkswagen Prototypen in eine Grafik-Engine, wie sie auch in Videospielen eingesetzt wird.
„Mit dem virtuellen Konzeptfahrzeug gehen wir über die rein dreidimensionale Betrachtung hinaus“, sagt Ostermann. „Wir führen vollwertiges Raumgefühl und Funktionalität zusammen. Denn ein Autofahrer schaut sich sein Fahrzeug ja nicht nur an, er steuert es auch. Also machen wir das im virtuellen Fahrzeug genauso. Ganz einfach mit Handbewegungen, ohne Controller. Wie in einem echten Auto.“ Ostermann zeigt, wie das geht, und wählt am virtuellen Infotainment-System einen anderen Sender.
Volkswagen setzt das virtuelle Konzeptfahrzeug serienmäßig ein. Bereits die nächste Golf-Generation wird mit diesem neuen Werkzeug entwickelt. Möhring (37), promovierter Ingenieur, verantwortet in der Technischen Entwicklung bei Volkswagen die Digitalisierung des Produktentstehungsprozesses. Er sagt: „Wir nutzen alle Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet. Das virtuelle Konzeptfahrzeug ist dafür ein gutes Beispiel. Und wir haben noch ein paar weitere. Aber dazu später einmal mehr.“
Doch warum Virtual Reality-Anwendungen wie das virtuelle Konzeptfahrzeug? Das virtuelle Konzeptfahrzeug spart Entwicklungskosten. Die Zahl physischer Prototypen, die kostenaufwendig und einzeln gefertigt werden müssen, wird reduziert. Das bedeutet für die Marke Volkswagen mit ihrer breiten Modellpalette einen beträchtlichen Effizienzgewinn.
Und das virtuelle Konzeptfahrzeug spart Zeit. Da alle Bauteile digital konstruiert werden, lassen sich ihre Daten einfach ins Programm übertragen. So entsteht ein virtuelles, funktionsfähiges Fahrzeug der neuesten Generation, an dem alle Beteiligten gemeinsam und zeitgleich arbeiten können. „Wir führen konkrete inhaltliche Diskussionen bereits sehr früh, mit physischen Prototypen wäre dies so nicht möglich. Das ist ein Riesenfortschritt“, sagt Möhring.
Ostermann und sein Team im Virtual Engineering Lab arbeiten längst an ihrem nächsten Ziel. Für ein voll erleb- und bedienbares virtuelles Fahrzeug haben sie mit der Stanford University in Kalifornien ein Forschungsprojekt gestartet. Nutzer sollen das virtuelle Konzeptfahrzeug künftig auch fühlen können. Damit das möglich wird, bildet ein technisches System aus feinen, druckempfindlichen Stäbchen (Pins) alle Formen und Konturen des Interieurs nach. Der Nutzer spürt so Oberflächen und Bedienelemente, ohne dass es diese wirklich gibt. Ostermann: „Das virtuelle Fahrzeug tatsächlich fühlen zu können, damit kämen wir in eine neue Dimension.“